Telepolis ist, wenn man so will, die Wochenzeitung des deutschsprachigen Internets. Nachdem ich nun endlich auch mal deren rss Feed gefunden habe, werde ich wohl immer wieder einzelne Artikel hier vorstellen.
(übrigens, als ich den folgenden Artikel las, musste ich spontan an Howard Rheingolds „giant brain“ (Einleitung) denken, nicht ausschließlich, aber vor allem deswegen enstand neulich dieser Artikel zur Begriffsklärung – der eigentlich hätte in eine ganz andere Richtung gehen sollen…)
„Willkommen im Schwarm!
Kollektive Intelligenz: Science Fiction nach dem Vorbild der Natur?“
Abstract:
Mit der Erschaffung neuer Formen kollektiver Intelligenz setzt die Wissensgesellschaft zum nächsten Entwicklungsschritt an. Management-Berater, Sozialtheoretiker und Ingenieure träumen von einer als Schwarm organisierten Gesellschaft. Und tatsächlich: Wikis und Techniken der Informationsstatistik haben das Potenzial, unsere Gesellschaft tiefgreifend zu verändern – mit Geheimdiensten, die nach dem Open Source Prinzip arbeiten und demokratischen Regierungen, die ihre Politik nicht nach dem Urteil von Experten richten, sondern nach Wettbörsen, auf denen Zukunftsprognosen gehandelt werden.
Hier ein paar Auszüge daraus:
Heutzutage verbreitete Kontrolltechniken wie biometrische Pässe, Überwachungskameras und Spionagesatelliten tauchen in erstaunlich konkreter Form bereits in George Orwells „1984“ auf. Hat da irgendjemand abgeguckt?
Immer wieder, scheint es, werden wichtige Prototypen nicht von Industriedesignern entworfen, sondern von Science Fiction-Autoren. […]
Schon seit einiger Zeit beschäftigt die Idee einer als Schwarm organisierten Gesellschaft Management-Berater, Sozialtheoretiker und Ingenieure. […] „Ein neues Zeitalter der vernetzten Intelligenz“, in dem „Verknüpfungen wichtiger als die Teile sind“ beschwört der Zukunftsdenker Bernhard von Mutius. […]
Die große Verheißung kollektiver Intelligenz ist eine radikale Demokratisierung des Wissens. Die Gesamtheit aller Informationen soll vernetzt werden. Jedermann soll Zugang dazu haben. Und allen soll es möglich sein, an der Schaffung neues Wissens teilzuhaben. Kollektive Intelligenz steht somit nicht nur für das gigantische Projekt des alles-mit-allem-in-Verbindung-bringen, sondern zugleich für das Ende der Expertenherrschaft. […]
[extern] Cass Sunstein [..] hat […] die Erfolge der Mehrheitsregel und anderer Methoden des „information pooling“ mit den Ergebnissen von Diskussionen in Gruppen und Expertengremien verglichen. Das Ergebnis ist niederschmetternd: Anstatt dass in den Gruppen die Kraft des besseren Argumentes gemeinsame Entscheidungen bestimmt, verzerren Effekten der Polarisierung das Ergebnis.
und am allerbesten finde ich die folgende These, die muss ich einfach hier so komplett wiedergeben:
Open Geheimdienst
Die Skepsis hinsichtlich der Überlegenheit rationalen Diskurses gegenüber den Techniken der Kollektiven Intelligenz steht, wie Sunstein überzeugend darlegt, auf einem breiten wissenschaftlichen Fundament. In der Konsequenz folgt daraus die Notwendigkeit der Reform einer ganzen Reihe von Institutionen, die nach dem Prinzip diskutierender Gruppen aufgebaut sind: der Nachrichten- und Geheimdienste zum Beispiel. Die Sozialwissenschaftler […] haben […] ein Modell einer Art CIA entwickelt, die nicht als Geheimdienst aufgebaut ist, sondern, nach dem Vorbild von Wikis und Open Source Software, als Publicly Shard Intelligence, kurz: PSI. PSI, meinen de Valk und Martin, wäre in der Lage, die zentralen Aufgaben eines Geheimdienstes zu übernehmen: die Abschätzung außenpolitischer Entwicklungen, ökonomische Analysen, Untersuchungen von Waffensystemen, die Beobachtung des Handels mit gefährlichen Gütern, Risikoanalysen von technologischen Entwicklungen und Insiderberichte über Organisationen. Anders als bestehende Geheimdienste, würden in einem PSI-Modell Informationen zu all diesen Bereichen, wie bei einem Wiki, von einem offenen Kreis von Mitwirkenden bereit gestellt, die miteinander konkurrieren und, was besonders wichtig ist, einander auf die Finger sehen – damit nicht „weapons of mass destruction“ gefunden werden, wo keine sind.
Open Geheimdienst, das wär mal echt was!